Das Worte-Ungetüm Europäischer Stabilitätsmechanismus („ESM“) soll beeindrucken und beliebig verstanden werden. Vor allem aber suggeriert es eine mechanisch zu erreichende Stabilität, einen Mechanismus, von dem zu bemerken sei, dass er sich von nichteuropäischen unterscheide.
Nur einmal und nebenbei wird in einem Vertrag dazu erklärt, dass dieses Worte-Ungetüm der Name für eine „internationale Finanzinstitution“ ist. Es ist der in der Fassung vom 2.Februar 2012 vorbereitete „Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus“ („ESM-Vertrag“). In ihm geht es um die Übertragung von Verfügungsmacht über Aber-Milliarden Euro.
„Durch diesen (ESM) Vertrag richt(et)en die Vertragsparteien untereinander eine „internationale Finanzinstitution“ ein, die den Namen „Europäischer Stabilitätsmechanismus“ („ESM“) trägt. Die Vertragsparteien, welche die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets sind, müssten sie errichten, um damit die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren.
Dass Staaten miteinander Verträge abschließen, dafür brauchte es keine rechtliche Begründung. Ebenso wenig für die Feststellung des Europäischen Rats vom 17. Dezember 2010, dass die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets einen ständigen Stabilitätsmechanismus einrichten müss(t)en“. Mit dieser Feststellung soll aber suggeriert werden, dass die Übertragung der Verfügungsmacht von Staaten auf diese „internationale Finanzinstitution“ mit diesem ESM-Vertrag rechtlich begründet wäre.
Aber diese Übertragung muss und kann nur durch Parlamentsbeschlüsse von Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets rechtlich begründet werden, die diesen/diesem Vertrag schließen/beitreten wollen. Es sind Beschlüsse durch Parlamente oder als Ergebnis einer „Volksbefragung“ zu Verfassungsänderungen des jeweiligen Staates. Das Bundesverfassungsgericht („BVG“) hat in seinen Urteilen vom 30. Juni 2009 und 7. September 2011 dazu die grundsätzlichen Grenzen und Modalitäten für Deutschland bestimmt.
Die Notwendigkeit, diese Urteile des Bundesverfassungsgerichts bei dieser vorgesehenen Übertragung von Verfügungsmacht zu berücksichtigen, ergibt sich bereits daraus, dass dieser „internationale Finanzinstitution“ zwar „volle Rechtspersönlichkeit“, „uneingeschränkte Rechts- und Geschäftsfähigkeit“ zuerkannt werden soll sowie, dass deren Tätigkeit als eine „amtlich(e)“ zu verstehen sei, aber andererseits diese als „volle Rechtspersönlichkeit“ zuerkannte „internationale Finanzinstitution“ „von Beschränkungen, Verwaltungsvorschriften, Kontrollen und Moratorien jeder Art“, von jeglicher Zulassungs- und Lizenzierungspflicht“ sowie von allen Steuern befreit werde.
Es fehlt also bisher nicht nur an einer rechtlichen Grundlage für die vorgesehene Errichtung dieser „internationalen Finanzinstitution“. Und auch die im ESM-Vertrag genannten Bedingungen für deren Tätigkeit sind weder schon erfüllt noch gewähren diese und andere bestimmte ESM-Vertragsbestimmungen Rechtssicherheit. Rechtsunsicherheit besteht aber bereits darin, dass dieser ESM-Vertrag jetzt geschlossen werden soll, aber erst dann „aktiviert“ werde, „wenn es unabdingbar sei, die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren“.
Doch wiederum soll die „Gewährung von Finanzhilfe im Rahmen neuer Programme durch den ESM ab dem 1. März 2013 (ab Juli 2012) von der Ratifizierung des VSKS durch das betreffende ESM-Mitglied“ abhängig sein. Im ESM-Vertrag ist bestimmt: „Die Vertragsparteien sind die ESM-Mitglieder“; aber den „Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion“ („VSKS“) gibt es noch nicht.
Rechtsunsicherheit besteht auch darin, wer auf welcher Grundlage „unabdingbar“ bestimmt oder entscheiden soll. „Unabdingbar“ unabhängig davon, dass mit dem (noch nicht vereinbarten) VSKS eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung umgesetzt werden soll, und zwar als Teil der „wirtschaftspolitische(n) Steuerung der Europäischen Union“? Denn die verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung „sollte die erste Verteidigungslinie gegen Vertrauenskrisen bleiben, die die Stabilität des Euro-Währungsgebietes beeinträchtigen“. Diese Verteidigungslinie bestünde also demnach – noch. Mehr Glaube als Gewissheit!
Wohl deshalb soll dieser „internationalen Finanzinstitution“ (ESM) das Recht eingeräumt werden, selbst zu entscheiden, wann es „unabdingbar“ ist, „Stabilitätshilfe (zu) gewähren, um damit die „Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten“ wahren zu können. „Unabdingbar“, „Stabilitätshilfe (zu) gewähren“, sei es dann, wenn „angesichts der starken Interpendenzen innerhalb des Euro-Währungsgebiets . . . ernsthafte Risiken für die Finanzstabilität der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, die Finanzstabilität des gesamten Euro-Währungsgebiets gefährden“ können.
Bereits jetzt, und trotz bestehender Verteidigungslinie und bevor dieser ESM-Vertrag über die Übertragung von Verfügungsmacht geschlossen worden ist, stellen Interessenvertreter nicht nur „unabdingbar“ fest, sondern fordern – u.a. auch EU-Währungskommissar Olli Rehn – eine weitaus größere Verfügungsmacht an diese „internationale Finanzinstitution“ zu übertragen, als im vorbereiteten ESM-Vertrag vorgesehen. Versteckt ist diese Forderung allerdings in jener, „den permanenten Rettungsschirm ESM aufzustocken“, „eine 2 Billionen Brandmauer zu errichten“.
Zwar stellt das Bundesverfassungsgericht klar, „dass der Bundestag seine Budgetverantwortung nicht durch unbestimmte haushaltspolitische Ermächtigungen auf andere Akteure übertragen darf. Und es dürfen keine dauerhaften Mechanismen begründet werden, die auf eine Haftungsübernahme für Willensentscheidungen anderer Staaten hinauslaufen.“ Aber seine Bestimmung, dass solche „haushaltspolitischen Ermächtigungen“ dann unbestimmt seien, wenn „sich der Haushaltsgesetzgeber durch die Höhe der Haftungszusagen . . . offensichtlich dauerhaft seiner Handlungsfähigkeit“ begibt, lässt dadurch nicht nur „offensichtlich“ sondern eben auch „unabdingbar“ unbestimmt, also einem von Interessen bestimmten Verständnis überlassen.
Es sind die Interessen derjenigen, welche selbst fordern oder mit ihrer Macht beauftragen zu fordern, „Rettungsschirm ESM“ aufzustocken, „Brandmauer“ zu errichten. Und auch das Bundesverfassungsgericht kann dieser Macht Recht nicht entgegenstellen. Denn das Verständnis von „der nationalen Haushaltautonomie als einer wesentlichen, nicht entäußerbaren Kompetenz der unmittelbar demokratisch legitimierten Parlamente der Mitgliedstaaten“ ist auch nicht dem Widerstreit unterschiedlicher Interessen verwehrt. Ein aktuelles Beispiel dafür ist auch die „Schuldenbremse“.
„Das Bundesverfassungsgericht kann sich bei der Feststellung einer verbotenen Entäußerung der Haushaltsautonomie nicht mit eigener Sachkompetenz an die Stelle des Gesetzgebers setzen. Es hat seine Prüfung hinsichtlich des Umfangs der Gewährleistungsübernahme auf evidente Überschreitungen äußerster Grenzen zu beschränken“ (Bundesverfassungsgericht – Pressestelle – Pressemitteilung Nr. 55/2011 vom 7. September 2011). Doch weder sind die äußersten Grenzen bestimmt noch mit dem Attribut „evident“ erklärt und begründet, wann sie als überschritten zu verstehen sind. Womit das Bundesverfassungsgericht geprüft und worauf es seine Prüfung beschränkt hat, ist deshalb auch nicht begründet
Das soll wohl eher begründen, und zwar als einen verfassungsgemäßen Grundsatz, dass vorher nicht festgestellte Fehler, als nicht feststellbare Fehler gelten und damit, dass solche, später als Fehler erkannte, nicht gegen das Grundgesetzen verstießen. Also demokratische gefasste Beschlüsse, in deren Folge später eine „Entäußerung der Haushaltsautonomie“ festgestellt wird, werden kann, können nicht als ein Verstoß gegen das Grundgesetz beurteilt werden? Demokratisch und dem Grundgesetz entsprechend sei also in jedem Fall das, was der Bundestag beschließt, auch wenn infolge dadurch das (künftige) Budgetrecht durch evidente Überschreitungen äußerster Grenzen entleert wird?
Es sind also nicht nur die „Versuche, Recht und Regeln im Hinterzimmer oder unter Hinweis auf konkrete Nöte zu umgehen“, sondern ebenso diese Unbestimmtheiten, die einem beliebigen Verstehen überlassenen Bestimmungen des Grundgesetzes, mit denen diese Versuche entsprechend den Macht-Interessen nicht nur begründet werden, sondern mit deren Durchsetzung diese auch ungeahnte Langzeitwirkungen entfalten.
Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in seinem Urteil vom 9. Juli 2007den Gesetzgeber aufgefordert, die Staatsverschuldung wirksam zu begrenzen, die Schuldenfinanzierung des Bundes restriktiver zu regeln und zugleich justiziabel zu fassen. Diese Urteile machten aber die Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom30. Juni 2009 und 7. September 2011 nicht überflüssig. Und deshalb auch nicht Urteile zu ESM und zur „Schuldenbremse“.
Das Bundesverfassungsgericht hat zu diesen seinen Urteilen wohl weder geprüft noch mit ihnen etwas ausgesagt, ob mit den vom Deutschen Bundestag am 29. Mai 2009 in die Wege geleiteten Verfassungsänderungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung Deutschlands, die Staatsverschuldung wirksam begrenzt wird (werden kann), die Schuldenfinanzierung des Bundes „restriktiv und zugleich justiziabel gefasst“ wurde, ob mit diesen Verfassungsänderungen über die grundlegenden Bestandteile der Verfassung, also über die Verfassungsidentität“ verfügt wurde und wird, also ob dadurch nicht ungeahnte Langzeitwirkungen entfaltet werden, die das Grundgesetzt verbietet.
Die Überprüfung der „Verfassungsidentität“ bei Übertragungen von Verfügungsmacht kann deshalb nicht nur darauf beschränkt werden, ob das (künftige) Budgetrecht durch evidente Überschreitungen äußerster Grenzen entleert wird und ob „für eine Abgabe weiterer Kernkompetenzen an die Europäische Union“ noch „viel Spielraum“ für die Wahrung des Budgetrechts bestünde. In diese Überprüfung war und ist also einzuschließen, zum Beispiel die Langzeitwirkung, dass der „Gouverneursrat“ des ESM (der „internationalen Finanzinstitution“) beschließen kann, den von den Mitgliedsländern einzuzahlenden Betrag „Stammkapital“ zu erhöhen und noch nicht ausgezahlte Mittel des EFSF (aber nicht dessen Verbindlichkeiten und dubiosen Forderungen) zu übernehmen.
Die Überprüfung der „Verfassungsidentität“ muss sich deshalb und zu den bereits vorgenommenen Änderungen zum Grundgesetz, insbesondere im Zusammenhang mit der „Schuldenbremse“, jetzt darauf richten, ob mit diesen Änderungen und ESM-Vertrag nicht bereits, und nicht nur in Langzeitwirkung, eine neue „Verfassung“ ohne Volksentscheid entstanden ist/ entsteht, mit der dann keine evidente Überschreitungen äußerster Grenzen mehr festgestellt werden kann, sondern eine Auflösung des jetzt bestehenden Staates, die deshalb dann als „grundgesetzgemäß“ erklärt werden könnte.
Es sind die Widersprüche, die mit den Änderungen zum Grundgesetz im Grundgesetz entstanden sind. Und es sind die Unbestimmtheiten dieser Änderungen, die es Macht-Interessen ermöglichen, „Verfassungsidentität“ in ihrem Sinne zu interpretieren. Im Folgenden wird auf einige Widersprüche und Unbestimmtheiten hingewiesen.
Nach Artikel 104b Grundgesetz kann der Bund „den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und der Gemeinden (Gemeindeverbände) gewähren, die 1. zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder 2. zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder 3. zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich sind.“ Und nach Artikel 107 „ist sicherzustellen, daß die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird; hierbei sind die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen.
Angemessen und gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht sind unbestimmt und die Bestimmungen zu Finanzhilfen („Finanzausgleich“) zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft.Finanzkraft und unterschiedlichem wirtschaftlichen Wachstum widersprechen der Bestimmung des Artikels 9 Grundgesetz, dass Bund und Länder . . . in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander unabhängig“ seien, obwohl die Länder von diesen Finanzhilfen des Bundes abhängig sind.
Unbestimmt ist nicht nur drohende Haushaltsnotlage, sondern auch, dass Artikel 109 Grundgesetz einerseits bestimmt, dass die Haushalte von Bund und Ländern zwar „grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen“ sind, aber auch, dass sie „Regelungen zur im Auf-und Abschwung symmetrischen Berücksichtigung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung“ vorsehen können. Andererseits bestimmt dieser Artikel 109 im gleichen Absatz 3, dass die Länder „im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen“ diese Regelungen für die „nähere Ausgestaltung“ ihrer Haushalte zwar vorsehen können, aber nur „mit der Maßgabe, dass ihre Haushalte grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind.
Dieser Maßgabe werde aber „nur dann entsprochen . . ., wenn keine Einnahmen aus Krediten zugelassen werden.“Noch deutlicher kommt diese Widersprüchlichkeit mit Unbestimmtheiten im neuen Artikel 143b Grundgesetz zum Ausdruck. „Die Haushalte der Länder sind so aufzustellen, dass im Haushaltsjahr 2020 die Vorgabe aus Artikel 109 Absatz 3 Satz 5 erfüllt wird.Als Hilfe zur Einhaltung der Vorgaben des Artikels 109 Absatz 3 können den Ländern Konsolidierungshilfen aus dem Haushalt des Bundes gewährt werden. Unbestimmt ist hier Konsolidierungshilfe und deren Unterschied zu Finanzhilfen und „Sanierungshilfen auf Grund einer extremen Haushaltsnotlage.“
„Die Gewährung der Hilfen setzt einen vollständigen Abbau der Finanzierungsdefizite bis zum Jahresende 2020 voraus. Das Nähere, insbesondere die jährlichen Abbauschritte der Finanzierungsdefizite, die Überwachung des Abbaus der Finanzierungsdefizite durch den Stabilitätsrat sowie die Konsequenzen im Falle der Nichteinhaltung der Abbauschritte, wird durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates und durch Verwaltungsvereinbarung geregelt.“
Mit diesen Änderungen zum Grundgesetz wurde und wird dessen „Verfassungsidentität“ gebrochen. Es entsteht dadurch, und nicht durch Volksentscheid, eine Verfassung als Rechtsgrundlage zur Übertragung von Verfügungsmacht, zur Auflösung von „Kleinstaaterei“. Eine Rechtsgrundlage für die Übertragung von Verfügungsmacht auf die „internationale Finanzinstitution“ ESM und auf einen „Stabilitätsrat“ zur Schuldenbremse („Fiskalpakt“), der mit Mitteln dieser Macht als Deutscher Stabilitätsmechanismus DSM wohl verstanden werden soll.
Die dadurch entstehenden und bereits entstanden Abhängigkeiten von Staaten von dieser übertragenen Verfügungsmacht reduzieren Staaten auf Institutionen zur Verwaltung von Machtinteressen. Es sind die Interessen derjenigen, die alle Beschränkungen und Gesetze, welche die Verwertung ihres Kapitals behindern, überwinden/ durch neue ersetzen (müssen). Die für eine Schuldenbremse („Fiskalpakt“) beschlossenen Änderungen des Grundgesetzes („Schuldenregel“) bremsen nicht nur scheinbar die Verschuldung, sondern verpflichten zur Übertragung von Verfügungsmacht.
„Als Mitglied der Europäischen Wirtschafts-und Währungsunion muss Deutschland quantitative und qualitative Vorgaben des Europäischen Stabilitäts-und Wachstumspakts einhalten. „Um eine möglichst große Annäherung des für die Schuldenregel maßgeblichen Haushaltssaldo an den für die Regeln des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts relevanten Finanzierungssaldo zu erreichen, werden – anders als bislang – Einnahmen und Ausgaben bei der Ermittlung der Neuverschuldungsobergrenze um finanzielle Transaktionen bereinigt.“
Scheinbar geht es dabei um die Überwindung unterschiedlicher finanzstatistischer Definitionen und Abgrenzungen. Das Staatsdefizit müsse gemäß dem Maastricht Vertrag mit dem Rechnungssystem der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen nach dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG 1995) –“ mit seinen vielen falschen Dingen“ – bestimmt werden, aber das nach Artikel 115 Grundgesetz nach dem Rechnungssystem der Finanzstatistik. Es geht aber um die Überwindung eines noch bestehenden Verständnisses von einem Zusammenhang von Finanzwirtschaft und Realwirtschaft, eine Überwindung im Interesse der Finanzwirtschaft.
Denn mit möglichst große Annäherung wurde eine Rechtsgrundlage geschaffen, mit der die Schuldenregel, das mit ihr verkündete Bremsen des Verschuldens, finanzielle Transaktionen trotz Schulden nicht nur nicht verhindert, sondern mit ihr auch Transaktionen als Verpflichtung zur Einhaltung „quantitative und qualitative Vorgaben des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts“ mit (ESVG 1995) erklärt werden. „Mit der Bereinigung der Nettokreditaufnahme um finanzielle Transaktionen (Artikel 115 Grundgesetz § 3) wird die grundgesetzliche Regelung der nationalen Schuldenregel an die aus den europäischen Verpflichtungen geltenden Abgrenzungen weitest möglich angenähert.“
Die mit diesem Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt erhobenen Forderungen („strenge Auflagen“) nach dauerhaft soliden Haushaltpositionen, zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum, nach dauerhafter Stärkung von Wachstum und nachhaltiger Entwicklung, nach Wettbewerbsfähigkeit, nach langfristiger leistungsfähiger Wirtschaftspolitik, nach strukturellen Reformen soll die Berücksichtigung des Zusammenhangs von Finanzwirtschaft und Realwirtschaft zum Ausdruck bringen.
Aber den VSKS, den „Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion“, mit dem eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung umgesetzt werden soll, und zwar als Teil der „wirtschaftspolitische(n) Steuerung der Europäischen Union“, gibt es nicht. Die Androhungen von Konsequenzen bei nicht Erfüllung dieser Forderungen („strengen Auflagen“) und das Fehlen des VSKS sind Ausdruck der Widersprüchlichkeit und Unbestimmtheit dieser Forderungen und des Verständnisses von einer wirtschaftspolitischen Koordinierung, einer wirtschaftspolitischen Steuerung.
Die Wirtschaftsverflechtungen über Ländergrenzen hinweg bedingen die Auflösung von „Kleinstaaterei“. Erfolgt sie vor allem im Interesse und mit der Macht derjenigen, die über (systemrelevante) Mengen an Geld und/oder auf Geld lautende Papiere verfügen, werden die Störungen des (real-)wirtschaftlichen Gleichgewichts der Länder, des Zusammenlebens der Menschen nicht nur immer weniger beherrscht, nicht überwunden, sondern mit der Folge zunehmender Gewaltausbrüchen immer größer.
„Klein-Europa“ Deutschland ist ein „Abbild“ der EU, der Euro-Zone. Auch Deutschland ringt mit seinem Zustand, seinem auf Schulden basierendes (real-)wirtschaftlichen Ungleichgewicht, den (real-)wirtschaftlichen Ungleichgewichten der Mehrzahl seiner Länder. Die Langzeitwirkung der jetzigen Grundgesetzänderungen ist Übertragung von Verfügungsmacht, ohne dass sich Deutschland durch Volksentscheid eine neue Verfassung gegeben hat. Sie haben eine Auflösung seiner „Kleinstaaterei“ zur Folge, ohne damit ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht zu erreichen. Sie befördern die Auflösung der europäischen „Kleinstaaterei“, ohne europäische Verfassung und ohne damit ein europäisches gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht zu erreichen.
Die Alternative dazu, Organisation der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und der Einheit von Finanzwirtschaft und Realwirtschaft als Aufgabe einer wirtschaftspolitischen Koordinierung und Steuerung zur Erreichung eines stabilen gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, der Einheit von Politik und Ökonomie, muss Gegenstand eines Volksentscheids für eine neu Verfassung werden.
„Europäischer Stabilitätsmechanismus“, dieses Worte-Ungeheuer mag zwar beeindrucken und das soll es auch. Aber mit ihm wird trotzdem Unsinn ausgedrückt und verschleiert, dass es sich dabei um einen Namen handelt, der einer zu bildenden internationalen Finanzinstitution zugeordnet wurde. „Stabilitätsmechanismus“ ist in Deutsch ein unsinniges Wortkonstrukt. Und es wird auch zum Beispiel nicht mit dem Hinweis sinnvoll, diese Finanzinstitution solle für Märkte, Banken, Staaten einen stabilisierenden „Mechanismus“ erfinden. Die Tätigkeiten der Menschen dieser Institution sind aber kein Mechanismus, sondern Interessen geleitete, und können auch nicht mechanisch etwas stabilisieren.
Folge, dass dieses Worte-Ungeheuer unkritisch überall verwendet wird, ist, „Europäischer Stabilitätsmechanismus“ hinterlässt den Eindruck, und das soll es auch, es sei etwas Gegenständliches. Doch es ist nur der Name für eine zu bildende internationale Finanzinstitution, der wiederum Verfügungsmacht über sehr viel Geld der Euro-Länder übertragen werden soll.
Investigativer Journalismus hätte schon längst enthüllen können und zwar durch Befragung der Abgeordneten, ob sie mit ihrer Zustimmung zum Gesetz „ESM“ die Übertragung dieser Verfügungsmacht beschließen wollten und warum das beschlossene Gesetz nicht richtig benannt wurde, nämlich Gesetz zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Bildung und Einrichtung einer internationalen Finanzinstitution mit Namen „Europäischer Stabilitätsmechanismus“.
Das Bundesverfassungsgericht muss also nicht zu „ESM“, sondern zu einem Gesetz zur Bildung und Einrichtung einer internationale Finanzinstitution mit großer Verfügungsmacht entscheiden und zwar ob trotz der Übertragung dieser Verfügungsmacht an diese Finanzinstitution Verfassungsidentität gewahrt bleibt, oder, wenn nicht, dass dann dafür eine das Grundgesetz ablösende Verfassung erforderlich wäre. Die Wahrung der Verfassungsidentität kann deshalb auch nicht an einem Kriterium „Demokratie“ festgestellt werden. Denn eine Zweidrittel-Mehrheit des Bundestages hat das Gesetz zu „ESM“ demokratisch beschlossen.