Europa ein Gebilde – „Staats-Gebilde“

Unterschiedliches wird mit dem Wort Europa verstanden. Es sind Bilder, mit denen das Verstandene von Europa erklärt wird. Verbreitet sind vor allem die von einer schönen Frau der griechischen Mythologie, die von Jupiter entführte wurde, und die von einem Erdteil („Kontinent“), welches mit dem als Asien bezeichneten verbunden ist. Auch die gegenwärtigen Aufforderungen zu „mehr Europa“ oder zu „Vereinigten Staaten von Europa“ werden als Gebilde mit Bildern erklärt. Diese Bilder sind entlehnt aus Bestehendem, zum Beispiel: „Vereinigte Staaten von Amerika“. Sie sind Visionen. Politiker, die solche haben, sollten zum Arzt gehen. Altkanzler Schmidt der Bundesrepublik Deutschland soll dazu geraten haben. Ein Rat, der auch als Aufforderung verstanden werden kann, nicht nach Gebilden zu streben, sondern das Verändern des Bestehenden zu gestalten.  

 Der Gestaltungswille dazu von „Staaten“ des Kontinents „Europa“ ist als „Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft“, als „Vertrag über die Europäische Union“ und als „Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft“ manifestiert. Was auf der Grundlage dieser Verträge gestaltet wurde und werden soll, bringt zwar unterschiedliches, bildhaftes Verstehen des Willens der vertragschließenden „Staaten“ zu einem verändernden Gestalten des Bestehenden zum Ausdruck. Doch dass Gemeinsames gebildet werden soll, das als „Europäische Gemeinschaft“, als „Europäische Union“ zu verstehen und zu bezeichnen sei, bringt gleiches Verstehen dieser „Staaten“ zum Ausdruck, auch wenn es nicht mit gleichen Bildern erklärt wird.                                                                                                     

Die veröffentlichten Aufforderungen von Politikern dieser“ Staaten“ zu „mehr Europa“, zu „Vereinigten Staaten von Europa“, zur Bildung einer „europäischen Wirtschaftsregierung“ zur Übertragung von „Hoheitsrechten“ an die „EU-Kommission“ sind deshalb mit unterschiedlichen Bildern erklärt, was als Gemeinsames, als noch zu Bildendes, was als „Europa“, zu verstehen sei. Damit soll das bestehende, als Gemeinsames Verstandene – die EZB, die Währung EURO („Eurozone“), das Schengener Abkommen, die „Europäische Kommission“, der „EUGH“, das „“Europäische Parlament“ – zu „mehr Europa“ zu „Vereinigten Staaten von Europa“ werden. Also nicht mit einer gemeinsamen Sprache, „normativen Rechtsordnung“, einer gemeinsamen Wirtschaft, Regierung, gemeinsamer Sozialsicherungssysteme, Besteuerung, und auch nicht also als ein gemeinsames Land? 

Umstritten wohl deshalb auch das Verständnis davon, was dieser „Staaten“ gemeinsamer Gestaltungswille und was das von ihnen beabsichtigte Gebilde darstellen (sollen). „Europäische Union“, „Europäische Gemeinschaft“ und diese als ein „Staatenbund“ oder als ein „Staatenverbund“, wie in 2011 das Bundesverfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland für dieses Gebilde glaubte feststellen und so bezeichnen zu müssen? Diese unterschiedlichen Bezeichnungen werden also nicht als Synonyme, sondern als Bezeichnungen für unterschiedlich Verstandenes verwendet. Allerdings das, ohne die Unterschiede zu erklären, zu definieren. Weil nun aber als „Bund“ gewöhnlich das verstanden und bezeichnet wird, was miteinander verbunden ist, kann mit diesen Worten „Bund“ und „Verbund“ nichts Unterschiedliches verstanden sein. Erst in Verbindung mit dem Wort „Staat“ ist ein unterschiedliches Verstehen möglich, wenn mit dem Wort „Staat“ nicht gleiches, sondern ungleiches Verständnis zum Ausdruck kommt. Ein gleiches Verständnis von „Europäische Union“, „Europäische Gemeinschaft“, „Staatenbund“, „Staatenverbund“ und demnach auch von „Vereinigten Staaten von Europa“ setzt also ein gleiches Verständnis voraus, was als „Staat“ zu verstehen und zu bezeichnen ist, wessen Union, Gemeinschaft „europäisch“, „Europa“ sein soll.         L’État c’est moi – Der Staat bin ich!“, soll Ludwig der XIV., König von Frankreich, ausgerufen haben. Könige, Königinnen bestehender „Monarchien“ verstehen sich heute aber nicht als „Staat“. Sie werden auch nicht als „Staat“ bezeichnet. Auch mancher Präsident eines Landes nicht als „Staat“, sondern als Repräsentant des Landes, als dessen höchste moralische Instanz. Wohl auch deshalb, weil das Verständnis von „Staat“ mit dem von „Herrschaft“ über Menschen verbunden ist. „Staat“ ist also keine Bezeichnung für eine Erscheinung, sondern für das charakteristische Merkmal, von Klassengesellschaften, in den eine Klasse über(die) andere „Macht“ ausübt, „herrscht“.  

Mit dem Verständnis von „Staat“ ist das also von „Macht“ über das Zusammenleben der Menschen eines Landes verbunden. Diese „Macht“ war und ist Verfügungsmacht über die Mittel und Bedingungen des Grund und Bodens (des Landes) eines abgegrenzten Teils der Erde, über dessen „Produktionsmittel“ und „Produktionsbedingungen“, an dem die Reproduktion des Lebens von Menschen und damit die ihres Zusammenlebens gebunden war und ist. „Staat“ und „Land“ bezeichnen also auch Unterschiedliches. 

 „Staat“ ist also Bezeichnung für die Menschen und deren Organisation (Institutionen) ihres Zusammenwirkens, welche „Macht“ über das Zusammenleben der Menschen eines Landes haben und ausüben. Die Gesamtheit ihrer zusammenhängender mannigfach erscheinenden Tätigkeiten der „Machtausübung“ wird als „Politik“ bezeichnet, deren charakteristisches Merkmal die Sicherung der Reproduktion des Zusammenlebens und somit, soweit dafür erforderlich, des Lebens der Menschen eines Landes als resultierende Wirkung feststellbar sein soll. Diese Bedingung der „Machtausübung“ bedingt(e) ebenso die Sicherung und Erweiterung von Verfügungsmacht. „Staat“ – ob Verfügungsmächtige selbst oder von ihnen Beauftragte (Geduldete) – ist also von diesen Bedingungen abhängig. An dieser Abhängigkeit ändert(e) sich auch dadurch nichts, dass „Machtausübende“ gewählt wurden und werden, nur ihrem Gewissen folgen soll(t)en und sich ihre „Machtausübung“ (ihre Gewalt) teil(t)en („Legislative, Exekutive,Judikative“).   

Sie sind also notwendige, aber keine hinreichenden Bedingungen für „Staat“. Der „Staat“ eines Landes, ein „Staat“ für die Sicherung des Zusammenlebens der Menschen eines Landes, dieser Zusammenhang von „Staat“ und Land bedingt, dass mit den „Produktionsmitteln“ und „Produktionsbedingungen“ des Landes das Leben der Menschen reproduziert werden kann und reproduziert wird, deren Reproduktion daran gebunden ist. Oder anders ausgedrückt, dass die Reproduktion der Gemeinschaft der Gesellschaften dieser Menschen, mit einem dynamischen „wirtschaftlichen Gleichgewicht“ erfolgen kann, erfolgt. Das ist wiederum vom charakteristischen Merkmal der Art und Weise des Gebrauchs und Verbrauchs dieser „Produktionsmittel“ und „Produktionsbedingungen“ abhängig (von der „Produktionsweise“).                    

Mit den historischen Änderungen dieses charakteristischen Merkmals entstanden, änderten sich und lösten sich auf Zusammenhänge von „Staat“ und Land in mannigfachen Erscheinungen, wurden in mannigfachen Erscheinungen Verfügungsmacht über „Produktionsmittel“ und „Produktionsbedingungen“ mit Gewalt erobert, vernichtet, konzentriert und geteilt übertragen, wurden die als Land bezeichneten Erscheinungen und als „Staaten“ Bünde „Staaten-Gebilde“) bezeichneten verändert.  

Mit der historischen Änderung zu einer „kapitalistischen Produktionsweise“, wurden, wie alles andere auch, die „Produktionsmittel“ und „Produktionsbedingungen“ eines Landes zu einer Ware und damit auch zur Ware die Verfügungsmacht darüber. Wer diese Verfügungsmacht, diese Ware, wie zum Beispiel bereits im 17.Jahrhundert in England, kaufen konnte, oder jetzt kaufen kann, kauft(e) sie, um damit zu sichern, mit den „Produktionsmitteln“ und „Produktionsbedingungen“ Profit realisieren zu können. Er verhielt sich und verhält sich auch zu ihr als sein „Kapital“.  

Die „kapitalistische Produktionsweise“ hatte und hat nicht nur ihre Vergesellschaftung, die Vergesellschaftung privaten „Kapitals“ („Kapitalgesellschaften“ und Gesellschaften von „Kapitalisten“) und damit die Vergesellschaftung privater Verfügungsmacht zur Folge. Die Reproduktion des Zusammenhanges von „Staat“ und Land wurde und wird deshalb immer mehr abhängig davon, dass vergesellschaftete Verfügungsmacht mit dessen „Produktionsmitteln“ und „Produktionsbedingungen“ um Profit erweitert“ reproduzieren konnte und kann.  

Kapital“ um Profit erweitert zu reproduzieren, bedingt(e) die Überwindung der Abhängigkeit der Reproduktion des „Kapitals“ mit „Produktionsmitteln“ und „Produktionsbedingungen“ eines bestimmten Landes, bedingt(e) also eine „Globalisierung“ seiner Reproduktion. Der Zusammenhang zwischen Verfügungsmacht über „Produktionsmittel“ und „Produktionsbedingungen“ und „Staat“ eines Landes oder von „Staaten-Gebilde“ reduziert(e) sich auf ein durch Geld vermittelten Zusammenhang, der sich infolge und insoweit dadurch auf löst(e), dass und wenn das wirtschaftliche Gleichgewicht des Landes oder des „Staaten-Gebildes“ nicht aufrecht erhalten wurde, werden kann.    Die „Kleinstaaterei“ löst(e) sich auf. Das bedeutet(e) aber also nicht „Auflösung“ kleiner Länder, sondern die des Zusammenhanges von „Staat“ und Land, für deren Zusammenhang kein wirtschaftliches Gleichgewicht aufrecht zu erhalten war und ist. Wirtschaftliches Gleichgewicht wurde und wird in einem kleinen Land (kleine Fläche, Bevölkerungszahl) dann aufrechterhalten, wenn es mit seinen „Produktionsmitteln“ und „Produktionsbedingungen“ oder mit deren Gebrauch ein Monopol besitzt.                                                                                            

Wo „Politik“ diese Auflösung nicht gestalte(e), erfolgt(e) sie mit Gewalt des Konkurrenzkampfes zwischen Verfügungsmächtigen von Ländern, deren wirtschaftliches Gleichgewicht gestört ist und zwar auch dadurch, dass die für ein solches Gleichgewicht erforderlichen Rohstoff- und Absatzmärkte nicht beherrscht wurden, nicht beherrscht werden (können), weil für die Erweiterung deren Verfügungsmacht die „ökonomische Basis“ nicht „wettbewerbsfähig“ war, ist. Diese Gewalt hat(te) vor allem charakteristische Erscheinungen: Kriege, Handel mit Sklaven, und jetzt weiterhin Kriege und Handel mit Geldware.  

Kriege zu vermeiden, wurde und wird immer mehr gemeinsamer Wille auch von immer mehr „Staaten“, von immer mehr Verfügungsmächtigen. Mit der Gestaltung von Gemeinsamkeiten, von „Staaten-Bünden“, soll(t)en Kriegsursachen beseitigt werden. Die eine globale „Kapitalreproduktion“ behindernde „Kleinstaaterei“ wurde und wird aber mit dem herrschenden Verständnis nicht als charakteristische Kriegsursache erklärt, sondern ein globales Fehlen des Verständnisses und seines Durchsetzens von „Recht“, „Gerechtigkeit“, ,, Menschenrechte“, das den“freien Kapitalfluss“ behindert(e). Doch trotz aller auf dieses gemeinsame Verständnis (als gemeinsame erklärtes) gegründeten „Staaten-Bünde“ wurden und werden Kriege nicht verhindert, mit denen aber, also mit Gewalt, der „freie Kapitalfluss“ immer mehr globalisiert wird.

Die Globalisierung der „Kapitalreproduktion“ bedingt(e) die Erweiterung des „Handelskapitals“ mit der Folge, dass es selbst Ware(Geldware) wurde, mit deren Verkauf Profit realisiert wurde und wird, dass scheinbar mit deren Produktion und Verkauf (von „Finanzprodukten“) schneller und mehr als über die Produktion und Verkauf von Gütern und Leistungen Profit realisiert werden kann. Aus dem Handel mit Geldware, aus dem Konkurrenzkampf um ihren profitablen Verkauf, resultiert scheinbar deshalb keine Gewalt, weil beim Kauf ihres Gebrauchs der Käufer nicht nur als frei Handelnder erscheint. Er versteht diese Geldware selbst als Kapital, das er beabsichtigt, um Profit erweitert reproduzieren zu können. Spätestens wenn er diese Geldware nur noch mit Verlust oder nicht mehr verkaufen kann, mit ihrem Gebrauch keinen Profit realisieren kann, Schuldner wird, empfindet er die auf ihn dadurch wirkenden Folgen als eine ihn in Abhängigkeit gebrachte Gewalt Das betrifft ebenso den als „Staat“ bezeichneten Käufer. Es ist die Gewalt der Exekutive des „`virtuellen Parlaments` des globalen Kapitals“, insbesondere in ihren Erscheinungen Internationaler Währungsfonds und Weltbank

Verfügungsmächtige über globales „Kapital“, über Produktion und globalen Handel von Geldware konkurrieren mit den Verfügungsmächtigen, deren „Kapitalreproduktion“ und deren Produktion und Handel mit Geldware an ein Land gebunden sind. Die Folgen dieses Konkurrenzkampfes waren und sind Erweiterung und Konzentration von Verfügungsmacht. Erweiterung seines Herrschaftsbereiches sowohl über größere Rohstoff- und Absatzmärkte, über „Produktionsmittel“ und „Produktionsbedingungen“ von mehr Ländern oder von vergrößerten Ländern, als auch, und das immer mehr, durch „Investitionen“ in die Produktion und den Handel von Geldware. Die Voraussetzung für letzteres sind und werden immer mehr durch ersteres geschaffen: „Staaten“ mit Ländern, deren wirtschaftliches Gleichgewicht dadurch gestört wurde und wird, deren charakteristische Zustand „Staatsverschuldung“ wurde und wird. 

 Nur mit diesem verbundenen Verständnis von Verfügungsmacht und „Staat“, vom auf einen wirtschaftlichen Gleichgewicht oder Ungleichgewicht feststellbaren Zusammenhang von „Staat“ und Land, sind auch Fragen zum Verständnis von „Staatsschulden“, „Staatsfinanzierung“, „Steuern“ und damit auch zu den Fragen, was zu welchem „Staats“-Gebilde verbunden werden kann, wissenschaftlich beantwortbar. Die von „Staaten“ gebildete „Europäische Gemeinschaft“, „Europäische Union“ sind also weder ein „Staats“-Gebilde noch ein „Staaten-Gebilde“. Es gibt weder eine Verfügungsmacht noch eine geteilte konzentrierte „Macht“ über Mittel und Bedingungen eines Teils oder des gesamten Kontinent Europa, über die Mittel und Bedingungen der bestehenden Länder.                            

Ein „Staats-Gebilde“ „Europa“ kann auf Dauer nur auf ein dynamisches wirtschaftliches Gleichgewicht auf der Grundlage der gemeinsamen Reproduktion aller „Produktionsmittel“ und „Produktionsbedingungen“ der an diesem Gebilde beteiligten Länder gegründet und aufrechterhalten werden. Eine Reproduktion einer organisierten und dynamisch zu organisierenden Arbeitsteilung der beteiligten Länder. Der „Euro“ kann für die Gründung dieses „Staats-Gebilde“ eine notwendige Voraussetzung sein, wenn die EZB nicht nur allein befugt ist , „die Ausgabe des Euro zu genehmigen“, sondern diese Genehmigung auf Daten zur Realwirtschaft erteilen kann. Die geltenden Regeln des ESVG 95 verhindern aber geradezu die Erfassung und Darstellung solcher Daten (s.a. „Kritik des ESVG 95“).Dieses „Staats-Gebilde“ muss also mit dem Ziel entwickelt werden, ein dynamisches wirtschaftliches Gleichgewicht der mit diesem „Staats-Gebilde“ einzubeziehenden, und einbezogenen Länder zu erreichen und zu sichern. Dieser Zusammenhang könnte als Bund europäischer Länder bezeichnet werden, dessen charakteristisches Merkmal seines wirtschaftlichen Gleichgewichts entweder die Resultierende (aus der Summe) der wirtschaftlichen Gewichte der beteiligten Länder oder eine Resultierende einer organisierten und dynamisch zu organisierenden Arbeitsteilung der beteiligten Länder ist. Ersteres bedingt Mittel-Transfer zwischen den beteiligten Ländern. Letzteres bedingt konzentrierte Verfügungsmachtganz über die „Produktionsmittel“ und „Produktionsbedingungen“ der beteiligten Länder. Um Krisenfolgen für das Zusammenleben beherrschen, das Zusammenleben sichern zu können, muss auf der Grundlage dieser beiden Möglichkeiten „Politik“ ein „Konzept“ zur Entwicklung eines „Staats-Gebildes“ für „Europa“ für eine demokratische Entscheidung verfassen





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Die G20: „Wirtschaftsungleichgewichte“ – „neues Weltwährungssystem“

Die G20 hätte aus der Krise nichts gelernt, urteilten Kritiker zum Ergebnis des G20-Gipfels vom 19.02.2011. Doch, was sollte aus ihr gelernt werden und wer ist das von der G20, der aus ihr gelernt haben sollte? Dass Krisen gefährliche „sozialen Unruhen“ produzieren, muss nicht erlernt werden. Ebenso gehört zu den gesicherten Erkenntnissen, dass „Wirtschaftsungleichgewichte“ Folge des globalen Wirtschaftens sind. Und „gefährlichen Wirtschaftsungleichgewichte“ will doch die G20 jetzt messen und damit der Politik ermöglichen, „gegensteuern“ zu können. Dazu haben sie sich auf konkrete Schritte zum Abbau der „globalen Ungleichgewichte“ geeinigt; und geeinigt auf fünf Indikatoren, „an denen Ungleichgewichte festgemacht werden“ können. Also immerhin etwas gelernt. 

Freilich, es mag nicht das sein, was als Lernergebnis erhofft wird und erforderlich wäre. Aber, „Wirtschaftsungleichgewichte“ abbauen und gegen ihre Gefährlichkeit „gegensteuern“ zu müssen, dieses gemeinsame gleiche Verständnis der G20 bestätigt die Einschätzung ihrer Einigung als „wichtigen Schritt“, der wohl vor allem ein Verdienst der Christine Lagarde ist. Für die G20 erwiesen sich wohl ihre Interessengegensätze und ihr unterschiedliches Verständnis von globaler Wirtschaft, von Politik und Markt als ein zu großes Hindernis, sich auf weitere Schritte zu einigen.

Kritiker könnten allerdings darauf verweisen, dass „Wirtschaftsungleichgewichte“ und deren Gefährlichkeit bereits vor dieser Einigung festgestellt worden sind. Sie konnten schon bisher auch an den jetzt vorgeschlagenen fünf Indikatoren „festgemacht“ werden. Ebenso war es bisher möglich, dass sie abgebaut werden, dass Politik „gegensteuern“ konnte. Die jetzige Einigung der G20, sie zu „messen“, „festzumachen“ und „gegenzusteuern“, ist aber vielleicht gerade deshalb als ein „wichtiger Schritt“ zu verstehen, nämlich hin zu einem Verständnis von einer „krisenfesteren Weltwirtschaftsordnung“. Freilich, mehr ist an diesem „wichtigen Schritt“ nicht feststellbar. Dass es in der G20 keine Mehrheit gibt für eine solche „Weltwirtschaftsordnung“ und keine, wie mit den fünf Indikatoren „Wirtschaftsungleichgewichte“ „gemessen“ und „festgemacht“ werden sollen, geschweige denn wie und womit „gegengesteuert“ werden soll, zeigt vor allem ihren Erkenntniswiderspruch.

Die Gefährlichkeit der „Wirtschaftsungleichgewichte“ zwingt sie zum Handeln, um nicht unterzugehen. Das bedingt aber, dass sie ihr Verständnis von Politik und Ökonomie, von Plan und Markt, in Frage stellen, dass sie ihren Widerspruch zu den Erkenntnissen vom Zusammenhang von Politik und Ökonomie, von Plan und Markt, von einem „systematischen“ Steuern und ordnenden Handeln überwinden. Wie weit sie davon noch entfernt sind, verdeutlicht ihre Auseinandersetzung um ein Verständnis zu den Begriffen „Weltwirtschaftsordnung“, „Weltwährungssystem“, also um ein Verständnis, dass eine „krisenfesteren Weltwirtschaftsordnung“ das Ordnen des Umgangs mit den Währungen der Welt bedingt.

„Globales Wirtschaften“ ist nun mal für eine historische Zeit untrennbar verbunden mit Währungen – dass sie gewechselt werden (müssen). Was hier als wechseln bezeichnet wird, ist der Verkauf / Kauf von Geld einer Währung mit dem Geld einer anderen. Mit wie viel Einheiten einer Währung Einheiten anderer Währungen gekauft werden können, bestimmt der „Wechselkurs“, also das bestimmende Verhältnis dieser Einheiten zueinander. Der Wechselkurs soll also das Verhältnis der wirtschaftlichen Werte der Währungsländer zum Ausdruck bringen – das Verhältnis der wirtschaftlichen Werte den Wechselkurs bestimmen. Für ein Verständnis von einer „krisenfesteren Weltwirtschaftsordnung“ ist also ein gemeinsames gleiches Verständnis von „realen Wechselkursen“, und wie diese bestimmt werden, unabdingbar.

Zwar kommt mit dem Indikator „reale Wechselkurse“ ein Verständnis von dieser seiner Bedeutung zum Ausdruck, doch weder zu diesem noch zu den anderen vier vorgeschlagen Indikatoren gibt es eine Einigung, was mit jedem dieser Indikatoren zu verstehen sei. Dahin muss der nächste wichtige Schritt gehen. Um dieses Verstehen geht kein Weg vorbei. Der Markt zeigt tagtäglich welche Wechselkurse in der Realität feststellbar sind, also real sind. Diese können aber dann nicht als Indikator zu verstehen sein, an dem Ungleichgewichte „festgemacht“ werden sollen. Denn auch wenn die Börsen tagtäglich Wirtschaftsveränderungen als Ursache tagtäglich veränderter Wechselkurse erklären, „Währungsverhältnisse“ gleichzusetzen mit Verhältnissen der wirtschaftlichen Werte der jeweiligen Währungsländer, führt zu nichts, mit dem Politik „gegensteuern“ könnte. Es muss also ein gemeinsames gleiches Verständnis erreicht werden, was der jeweilige wirtschaftliche Wert der Währungsländer ist. Mit ihm könnten dann Politik und Wirtschaft „festmachen“, ob reale Wechselkurse realen wirtschaftlichen Wertverhältnisse entsprechen, oder davon abweichen. Und Politik könnte dann mit „Gegensteuern“ ökonomischen Auswirkungen aus Abweichungen neutralisieren, oder reale Wechselkurse bestimmen.

Mit dem herrschenden Verständnis, dass der Wechselkurs von Geldbeträgen „Wert“ ausdrücke und mit einem Kaufkraftstandard (KKS), der eine „von Landeswährungen unabhängige fiktive Geldeinheit“ sei, die „Verzerrungen aufgrund von Unterschieden im Preisniveau verschiedener Länder ausschalte“, können keine „Wirtschaftsungleichgewichte festgemacht“ werden. Denn auch für den KKS werden Kaufkraftparitäten (KKP) ermittelt und zwar indem „sie mit Wechselkursen vergleichbar gemacht werden“. Doch diese sind die am Markt feststellbaren realen Wechselkurse, von denen auch die G20 zur Kenntnis genommen hat, dass sie nicht Verhältnissen realer wirtschaftlicher Werte der Währungsländer entsprechen.

Freilich, ein philosophisch begründetes Verständnis von „Wert“ anwenden zu wollen, darauf kann sich die G20 nicht einlassen. Ihre unterschiedlichen, gegensätzlichen Ideologien zu „Wert“ sind nicht vereinbar. Ebenso wenig tauglich dafür ist ein Verständnis, dass irgendein Ding einen bestimmten „wirtschaftlichen Wert an sich“ habe oder durch Zuordnung einen solchen „Wert“ bekommen sollte, der als Maßstab zur Bestimmung von Währungsverhältnissen dienen könnte, wie es historisch zum Beispiel mit Gold verstanden wurde. Ebenso wenig als Maßstab tauglich ist der „Wert“ der Währung eines Landes („Leitwährung“). „Leitwährung“ ist immer Machtinstrument. Ein allseitig akzeptiertes Verständnis von „Wert“ darf auch nicht bloß „Denkfigur“ sein.

Das Verständnis von „Wert“ muss eine handhabbare Bestimmung des „wirtschaftlichen Wertes“ ermöglichen, und zwar mit den bestehenden Möglichkeiten der Erfassung und der Analyse von wirtschaftlichen Daten: Daten, mit denen vergleichbare „wirtschaftliche Werte“ der Währungsländer zum Ausdruck kommen.
Wird mit „wirtschaftlichen Wert“ (in Bezug auf die Bestimmung von Währungsverhältnissen) alles das verstanden, was für alle Menschen wichtig für ihr Leben und Zusammenleben ist, ganz gleich zu welchem Währungsland sie gehören, können es nur die Mitteln und Bedingungen sein, die sie für ihr Leben, Zusammenleben verbrauchen und gebrauchen, die sie individuell und produktiv konsumieren. Denn in dem, was und indem sie es kaufen, kommt ihr Verständnis zum Ausdruck, dass das für ihr Leben und Zusammenleben (eigentlich) „Wert“ hat.

Als Daten erfasst wäre es die verkaufte/gekaufte Jahresmenge an Gütern und Leistungen, mit der ein Maßstab des „wirtschaftlichen Wertes“ bestimmt werden kann. Doch mit den erfassten Daten von einer zu Preisen des jeweiligen Währungslandes bewerteten Jahresmenge können „wirtschaftlichen Werte“ der Währungsländer nicht verglichen werden. Nicht nur die als Preis ausgedrückten Geldnamen sind verschieden. Auch das historisch entstandene Preisniveau – also die Menge Geldeinheiten – von vergleichbaren Gütern und Leistungen ist in den Währungsländern ungleich.

Wiederum besteht aber in allen Währungsländern ein Zusammenhang zwischen der zu Preisen ausgedrückten verkauften/ gekauften Jahresmenge an Gütern und Leistungen und der Menge gleicher Geldeinheiten, die für deren Bezahlung benötigt wurde. Das Verhältnis von dieser Preissumme und dieser Menge gleicher Geldeinheiten („Geldmenge“) ist vergleichbar. Für diese Vergleichbarkeit kann zulässig angenommen werden, dass die Zahl der in einem Jahr mit dieser Meng gleicher Geldeinheiten erfolgten Käufe gleich ist. Es ist ein Ideal-Verhältnis. Wäre es in allen Währungsländern feststellbar, könnte das jeweilige Währungsverhältnis aus dem Verhältnis dieser Preissummen der jeweiligen Währungsländer bestimmt werden.

Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Die „Geldmenge“ ist in allen Währungsländern größer als benötigt und auch die in Geld ausgedrückte als „Finanzprodukte“ bezeichnete Menge. Darüber hinaus wird als „wirtschaftlicher Wert“ das Bruttoinlandsprodukt verstanden, unabhängig davon ob es verkaufbar ist oder nicht. Und nicht zuletzt werden auch die Produktion und der Handel mit „Finanzprodukten“ als „wirtschaftlicher Wert“ verstanden, unabhängig davon ob mit ihnen verkaufbare Güter und Leistungen für das Leben und Zusammenleben produziert werden (können) oder nicht. Dagegen wird in diesem so verstandenen „wirtschaftlichen Wert“ die Verschuldung der Währungsländer nicht berücksichtigt. Die Salden der Leistungsbilanzen der Währungsländer drücken nicht deren „wirtschaftlichen Wert“ aus und für die Bestimmung von Währungsverhältnisse zugrunde gelegt werden.

Deshalb können auch mit den vorgeschlagenen Indikatoren Leistungsbilanz, reale Wechselkurse, Haushaltsdefizit und öffentliche Schulden, Währungsreserven und private Spareinlagen wirtschaftliche Ungleichgewicht weder „festgemacht“ noch mit ihnen Währungsverhältnisse bestimmt werden. Mit den bestehenden und zu erarbeitenden Möglichkeiten der Erfassung und Darstellung von Daten der „Geldmenge“, der Menge der „Finanzprodukte“ (Geldware), der „Staatsschulden“ und der Schulden der Bevölkerung jedes Währungslandes können die Abweichungen zum genannten Ideal-Verhältnis festgestellt als Ist-Verhältnis jedes Währungslandes dargestellt werden. Mit diesen Ist-Verhältnissen zueinander können Währungsverhältnisse bestimmt werden. Diese Bestimmung kann deshalb nicht Ergebnis eines („Währungs-) Systems“, das im kybernetische Verständnis ein sich selbst organisierenden ist, sein. Die Bestimmung bedarf einer Ordnung, für die ein anderes Ordnen des Systems „United Nations System of National Accounts“ eine unabdingbare Grundlage ist.

Wenn alles das, im Zusammenhang verstanden und in einer den Zustand verändernden politischen Tätigkeit zum Ausdruck käme, könnten wohl auch die Kritiker feststellen: Aus der Krise etwas gelernt. Doch jetzt ein halbes Jahr nach dem G20 Gipfel bestätigt die Feststellung, dass die Staatenlenker weltweit gegen die Schuldenkrise und die Panik auf den Finanzmärkten kämpften: Auch die Staatenlenker haben aus der Krise nichts dazu gelernt.

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